ERSTE SCHRITTE AUFZUCHT HALTUNG IN MENSCHLICHER OBHUT

DAS WICHTIGSTE VORWEG:
HELFEN IST ERLAUBT!

Gemäß der „Erläuterung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zum Umgang mit verletzten und kranken Wildtieren, die dem Jagdrecht unterliegen“ vom 29. September 2015 dürfen verletzte, verwaiste oder kranke Tiere zu einer Auffangstation oder einem Tierarzt gebracht werden. Es besteht jedoch Meldepflicht über die Entnahme des Tieres, z. B. bei der Polizei. Eine Meldepflicht besteht nicht, wenn die Tiere im befriedeten Bezirk (Ortschaften, menschliche Behausungen, Friedhöfe) gefunden wurden.

ERSTE SCHRITTE

NICHT JEDER WASCHBÄRWELPE IST HILFSBEDÜRFTIG.

Ein großer Teil der Jungbären, die von wohlmeinenden Findern in den Auffangstationen abgegeben werden, müsste und sollte gar nicht dort sein!       Denn nicht jedes allein herumlaufende Jungtier ist tatsächlich verwaist. Um ihren hohen Energiebedarf während der Säugezeit zu stillen, lassen Waschbärenmütter ihren Nachwuchs regelmäßig (Tag und Nacht) und auch relativ lange (bis zu 24 Stunden) alleine. Währenddessen erkunden die Jungen mitunter „mutterseelenallein“ die Umgebung.

Bei allein aufgefundenen Jungtieren sollte man zunächst immer eine Wildtierauffangstation/Pflegestelle kontaktieren (bestenfalls mit Foto des Tieres für eine Zustandsbewertung). Ist kein dringender Handlungsbedarf erforderlich, die Situation aber nicht zweifelsfrei einzuschätzen, sollte das Tier vor Ort belassen und die Situation aus der Entfernung beobachtet werden. In urbanen Gebieten hat es sich bewährt, die Jungen in einen hohen Pappkarton (z. B. Umzugskarton) zu setzen, aus dem sie nicht heraus-, die Mutter aber hineinklettern kann, wenn sie zurückkommt, um ihre Jungen zu holen.

Wirklich hilfsbedürftig sind nur folgende Tiere:

  • verletzte oder kranke Tiere
  • Jungtiere, die allein über längere Zeit liegen oder herumlaufen
  • Jungtiere, die mit geschlossenen Augen außerhalb der Wurfhöhle liegen und auch nach gewisser Beobachtungszeit nicht vom Muttertier abgeholt wurden
  • Jungtiere, deren Mutter tot in unmittelbarer Nähe liegt
Kontakt

BERGUNG UND ERSTVERSORGUNG.

Welpenzähne, die aus Angst zum Einsatz gebracht werden, können unangenehm sein! Um einen Jungbären einzufangen, eignen sich dicke, möglichst bissfeste Handschuhe, eine Jacke, Decke oder ein Handtuch. Letztere drei Utensilien können dann gleichzeitig dazu verwendet werden, das Tier warm zu halten.

Als vorübergehende Unterbringung bieten sich ein stabiler Karton oder eine Transportbox an, die man mit Zeitungspapier oder Küchenpapier auslegt und z. B. mit einem aufgeschüttelten Handtuch ausstattet, in das sich das Tier zurückziehen kann. Als zusätzliche Wärmequelle kann man eine mit warmem Wasser gefüllte und mit einem Handtuch umwickelte PET-Flasche hinzugeben.

Aber VORSICHT: Das Tier sollte langsam erwärmt werden und Ausweichmöglichkeiten haben, um sich von der Wärmequelle zurückziehen zu können. Kein Rotlicht verwenden, da vor allem Jungtiere schnell austrocknen, gerade wenn sie noch wenig Fell haben.

Auf keinen Fall dem Tier gleich etwas zu essen oder zu trinken anbieten! Und auch keine Parasitenmittel oder Spot-ons verabreichen! Ist das Tier schwer verletzt, muss es schnellstmöglich einem wildtierkundigen Tierarzt vorgestellt werden. Anderenfalls den Karton bzw. die Transportbox bis zur Übergabe an eine Wildtierauffangstation an einem ruhigen, vor Katzen, Hunden und Kindern geschützten Ort deponieren.

KONTAKT ZU AUFFANGSTATIONEN

Wenn Sie in vermeintlich hilfsbedürftiges Tier gesichtet oder ein tatsächlich hilfsbedürftiges Tier gesichert haben, schicken Sie uns bitte eine WhatsApp mit kurzer Situationsbeschreibung, dem Standort des Tieres (PLZ) und idealerweise ein kurzes Video.

Die IGHW ist ein hessenweit agierendes Netzwerk aus Auffangstationen, Pflegestellen und Ansprechpartnern, sodass wir versuchen können, Ihre Nachricht gleich an den passenden Adressaten weiterzuleiten.

AUFZUCHT

Sollten Sie auf Ihren Bärchen „sitzengeblieben“ und gezwungen sein, sie selbst aufzuziehen, kontaktieren Sie uns bitte ebenfalls, damit wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Die Aufzucht erfordert ein fundiertes Wissen, praktische Hinweise von erfahrenen Personen und eine Menge Geduld und Fingerspitzengefühl. Im Folgenden ein paar Basics:

  • Aufzuchtsmilch: z. B. Babydog milk von Royal Canin; tägliche Milchmenge je nach Alter etwa 15 % bis 20 % des Körpergewichts; wichtig: auf die richtige Saugeröffnung achten; Milch niemals zwangsweise verabreichen!
  • Verdauungsförderung: Bauchmassage zum Harn- und Kotabsatz; bei Durchfall Milch verdünnen bzw. Fenchel- oder Kamillentee geben, ggf. Tierarzt hinzuziehen.
  • Absetzen von der Flasche etwa im 2. Lebensmonat; Gefahr bei zu früh abgesetzten Welpen: Anlutschen eigener Körperregionen, Abhilfe durch Schnuller.
  • Heranführen an feste Nahrung: der Aufzuchtsmilch nach und nach Babybrei und gequetschte Bananen hinzugeben
  • Grundnahrung: siehe Nahrungsspektrum; auf Hunde- und Katzentrockenfutter sollte verzichtet werden, alternativ veganes oder auf Madenbasis hergestelltes Trockenfutter.

GESUNDHEIT

Neu hinzugekommene Bärchen sollten unbedingt von bereits bestehenden Tierbeständen fern- und in Quarantäne gehalten werden, bis klar ist, dass sie staupe- und parvovirosefrei sind (Blut- bzw. Kotuntersuchung durch Tierarzt und Labor). Sind sie gesund, sollten sie mit dem gleichen Impfschema und den gleichen Kombinationsvaccinen wie ein Hund grundimmunisiert und regelmäßig nachgeimpft werden.

Auch sollte der Kot fortgesetzt auf Endoparasiten untersucht und ggf. Wurmkuren verabreicht werden. Aufgrund ihres dichten Fells leiden Waschbären eher selten unter Flohbefall, trotzdem im Auge behalten.

 

HALTUNG IN MENSCHLICHER OBHUT

Waschbären sind per se keine Haustiere. Einen adulten Bären, der das Leben in Freiheit gewohnt war, in Gefangenschaft zu halten, ist in unseren Augen tierschutzrelevant. Gerät man an Jungtiere, denen man noch vermitteln kann, dass Menschen eigentlich furchtbar nette Wesen sind, die sich gut kümmern und mit denen man viel Spaß haben kann, ist dies die einzige Konstellation, in der eine solche Haltung vertretbar ist.

Bei der Unterbringung sollten mindestens die Vorgaben aus dem Säugetiergutachten eingehalten werden – aber besser noch viel mehr, um der Intelligenz, der Neugier und der in Gefangenschaft hohen Lebenserwartung dieser Tiere gerecht zu werden. Um das friedliche Zusammenleben zu manifestieren, sollten die Tiere außerdem frühzeitig (vier Monate) kastriert werden.

[dflip id="2139"]